Hintergrund
Der Bewegungsraum kann schrittweise aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet werden. Die erste Perspektive beinhaltet das Potential des Bewegungsraums, welches nur durch die eigenen Freiheitsgrade eingeschränkt wird. Der Raum ist dementsprechend sehr groß (Beispiel: Wie weit reicht der Arm?).
In den weiteren Schritten werden die Einflüsse durch den Regelkreis hinzugenommen. Überlastungen können zu sehr starken Einschränkungen des Bewegungsraums führen (Beispiel: Kann der Arm schnell genug gestreckt werden, um einen Punkt zu erreichen?). Im folgenden Bild wird diese Einschränkung bei einer Absenkbewegung des Armes dargestellt. Nur der grün markierte Bereich steht als Bewegungsraum wirklich zur Verfügung.
Im letzten Schritt wird die Beschränkung des eigenen Bewegungsraums gegen den Raum des Gegners abgeglichen. Was passiert also, wenn der Gegner versucht mit seinem Körper in den eigenen Bewegungsraum zu beschränken? Bei dieser Perspektive rücken Überlastungen durch Kräfte in den Fokus. An dieser Stelle wird noch nicht das Durchdringen betrachtet. Es geht rein eine Einschränkung durch Körper.
Mit dem Wissen um diese Problematiken stellen sich diverse Folgefragen:
- Wie soll der eigene Raum am besten genutzt werden?
- Wie soll der Schutz vor dem Gegner aussehen, also sein Durchdringen verhindert / verbessert werden?
- Wie kann dieser Umstand genutzt werden, um den Gegner anzugreifen und in seinen Raum zu durchdringen?
- Wie soll mit Überlastungen umgegangen werden, welche den Raum zusätzlich beeinflussen (Ablaufvarianten, …)?
Daraus ergibt sich die Motivation nicht nur isolierte Bewegungsräume, sondern auch deren Durchdringung zu betrachten. Der Unterscheid zu obigen Betrachtungen ist der Wechsel der Perspektive. Obige Beispiele betrachten den eigenen Bewegungsraums oder feste Einschränkung durch den Gegner. Die Folgeperspektive ist die Beschäftigung mit dem zeitlichen Ablauf des Durchdringens, wenn der eigene Raum und der gegnerische Raum aufeinandertreffen.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, welche sich auf wenige grundlegende Ansätze reduzieren lassen. Jeder Ansatz kann dann aus der Perspektive von Eigenschaften und Zielen betrachtet und bewertet werden. Die Vor- und Nachteile jeder Vorgehensweise können dann für eine gezielte Bewegungsentwicklung eingesetzt werden.
Mögliche Perspektiven
- Durchdringen mit geometrischen Formen
- Durchdringen auf Basis von Freiheitsgraden
- Durchdringen auf Basis des Regelkreises
Erfüllung von Zielen
- Eigenschutz
- Erzielen von Treffern
- Handlungsfähigkeit beschränken / vergrößern
- Gezielt Überlastungen hervorrufen
- Grad und Richtung der Kraftübertragung
Eigenschaft den Bewegungsraum zu durchdringen oder einzuschränken (Berührung von Gliedmaßen oder dem Körper)
- Auf Basis von deklassierender Kraft
- Auf Basis von deklassierender Geschwindigkeit
Eigenschaft der Überladung
- Erfüllung eines der obigen Ziele
- Erfüllung mehrerer obiger Ziele gleichzeitig
Grad der Kontextsensitivität
- Zielerfüllung bei Ablaufvarianten
Perspektiven der Durchdringung
Durchdringen mit geometrischen Formen
Die erste Betrachtung eines Durchdringens basiert auf einer reinen Betrachtung von geometrischen Formen und deren Aufeinandertreffen. Dabei werden Körperteile oder Waffen auf geometrische Grundformen reduziert. Bei dieser Perspektive werden die Möglichkeiten des menschlichen Körpers außer Acht gelassen. Es geht darum sich mit den Möglichkeiten des Aufeinandertreffens zu beschäftigen. Die Form der Umsetzung spielt keine Rolle. Diese Perspektive dient oft als Startpunkt, um frühe gedankliche Einschränkungen zu vermeiden.
Als Bandbreite können die folgenden Formen betrachtet werden:
- Punkt
- Linie
- Fläche
- Körper
Die Unterscheidung der Formen liegt dabei weniger in der Form selbst, sondern in der Art, wie diese den Raum durchdringt. Dabei dienen diese Perspektiven nicht dazu eine exakte Abgrenzung zwischen den Formen herzustellen. Die gedankliche Auseinandersetzung und die Wirkung der Formen aufeinander stehen im Vordergrund (Wie wird Kraft übertragen?, …).
Beispiel
Ein Stab, welcher ohne Winkel zum Mittelpunkt eines Raums senkrecht durchdringt, wirkt wie ein reiner Punkt.
Sobald der Stab nicht mehr senkreicht durchdringt, entsteht als wirkende Form eine Linie.
Durchdringen auf Basis von Freiheitsgraden
Diese Betrachtung fügt die notwendigen Freiheitsgrade hinzu, um die geometrischen Formen zu bilden. Nicht jede Form kann mit Hilfe der verfügbaren Freiheitsgrade gebildet werden (Beispiel: Arme können keine Flächen bilden, Schilde können nicht punktförmig durchdringen).
Durchdringen auf Basis des Regelkreises
Der Regelkreis kann überlastet werden. Bei dieser Fallbetrachtung wird überprüft, ob das geplante Durchdringen, also Durchsetzen, überhaupt gelingt. Der Regelkreis muss ausreichend Kraft aufbringen, um sich gegen eventuelle Widerstände durchzusetzen. Vielleicht genügt die Kraft aber auch nur, um die Bewegung des Gegners zum Stoppen zu bringen. Damit ergeben sich vereinfacht drei Fälle und drei Ergebnisse.
Jeder der Fälle bestimmt, in welcher Art der Raum durchdrungen werden kann. Sobald die Kraft des Gegners überwiegt, kann auch der eigene Bewegungsraum eingeschränkt und verkleinert werden.