Motivation
Geplante Bewegungen laufen zwischen sich und dem Gegner nicht immer in dem Maße ab, wie man es sich gedacht hatte. Die Methodik zur Erzeugung von Varianten zielt darauf ab, relevante Varianten für Abläufe zwischen sich und seinem Gegner zu finden. In späteren Schritten werden diese Varianten zur Betrachtung der Bewegungsplanung hinzugenommen. Die eigene Bewegung wird dann gegenüber diesen Varianten abgesichert. Ohne diese Absicherung können die Varianten sonst später ungeplant auftreten und verhindern, dass eigene Ziele erreicht werden können. Die Konsequenzen für ein Verletzen von Zielen können sehr schwerwiegend sein. Dadurch entsteht wiederum ein hoher Druck sich mit diesen Ablaufvarianten auseinanderzusetzen (siehe Strategieausbildung).
Beispiel mit Vergleich
1, Sportlicher Wettkampf
In einem sportlichen Wettkampf werden klare Regeln definiert. Wenn es sich um rein freundschaftliche Turniere handelt, spielen auch Geld und übertriebener Ehrgeiz keine wesentliche Rolle. In einem solchen Umfeld sind Fehler aufgrund auftretender Varianten kein größeres Problem. Mögliche Ablaufvarianten müssen nicht systematisch erarbeitet und in die Handlungsplanung integriert werden.
2, Kampf ohne Regeln mit Waffen
In diesem Extrem auf der anderen Seite der Bandbreite können Fehler schnell zum Verlust von Leib und Leben führen. Wenn in dieser Konstellation Ablaufvarianten nicht mit in Bewegungsplanungen aufgenommen werden, können die Konsequenzen später tödlich sein.
In diesem Artikel wird nur der dahinterliegende Gedanke und Ablauf der Methodik vorgestellt. Die genaue Variantenerzeugung wird in Folgeartikeln hergeleitet.
Weiterhin geht es bei dieser Methode nur um die Varianten, welche durch Überlastungserscheinungen und den damit verbundenen Effekten (Nachhängen, Abweichung Berep zu resultierender Bewegung, …) zusammenhängen. Die Grundlage ist der Gedanke, dass jede Bewegung in Abhängigkeit des Niveaus des Gegners und weiteren Umständen irgendwann deklassiert wird. Trotz der eigenen Fähigkeiten und Fertigkeiten muss man sich mit diesem Fall beschäftigen.
Eine Darstellungsform dieses Falls und den Umständen ist die Übertragungsfunktion. Die Grenzen im Diagramm der Übertragungsfunktion stehen stellvertretend für den Fall der Deklassierung. Die Grenzen zum Übergangs- und zum Deklassierungsbereich können sich verschieben (z.B. durch andere Anfangsbedingungen). Der grundlegende Aufbau der Übertragungsfunktion bleibt aber bestehen und verlangt damit eine Auseinandersetzung.
Der vordere Bereich der Übertragungsfunktion ist der „normale“ Bereich und verlangt keine Variantenbetrachtung. In diesem Bereich arbeitet der Regelkreis innerhalb seiner Möglichkeiten und auftauchende Abläufe können erfasst und bewältigt werden. Es bleibt immer genügend Zeit für Anpassungen. Es sind die zwei darauf folgenden Bereiche, in denen Varianten durch Überlastung auftauchen und bearbeitet werden müssen.
Allgemeiner Ablauf
Varianten können nicht durch eine einzelne Methode abgeschätzt werden. Sie sind Teil eines komplexen gedanklichen Ablaufs, der sich aus abwechselnden Gedankenexperimenten, Belastungstests und weiteren beschreibenden und detaillierenden Methoden zusammensetzt.
Einstieg mit Hauptvariante
Zur Beschäftigung mit Varianten lohnt der Einstieg mit der Hauptvariante, also derjenigen Bewegung, welche grundlegend trainiert werden soll. Dazu werden im ersten Schritt die Berep, die resultierende Bewegung und die weiteren Einflussfaktoren beschrieben. Als Gedankenstütze kann die folgende Übersicht verwendet werden:
Die dazu passenden Methoden sind unter anderem:
- Ziele setzen, dokumentieren und vergleichen
- Berep- und Bewegungsdokumentation
- Mind-Map
- Kontextbeschreibung
- …
Abschätzung der Übertragungsfunktion
Im nächsten Schritt wird versucht die Übertragungsfunktion abzuschätzen oder die Grenzen durch Belastungstests (Zeit, Kraft, …) zu bestimmen. Sobald Überlastungserscheinungen auftreten, wurden die Grenzen (Übergangsbereich und Deklassierungsbereich durch Gegner) erreicht oder überschritten. In diesem Fall sind bereits die ersten zwei weiteren Ablaufvarianten klar herausgearbeitet. Diese können dann in einem Baumdiagramm als zu bearbeitende Varianten eingetragen werden.
Erzeugung zusätzlicher Varianten
Zur Erzeugung von zusätzlichen Varianten wird untersucht, ob die weiteren Anteile aus der obigen Übersicht im Überlastungsbereich variiert werden können. Typische Varianten sind andere verfügbare Informationen oder Varianten bei den äußeren Einflüssen. Die Berep kann im Übergangsbereich innerhalb gewisser Grenzen verändert werden, während die Berep im Deklassierungsbereich nicht variiert werden kann1Der Grund für diesen Zusammenhang liegt in der Verfügbarkeit von Informationen. Erst mit einer gewissen Informationsverfügbarkeit kann die Berep noch angepasst werden. Sobald durch zu hohe Ablaufgeschwindigkeiten eine Informationsarmut einsetzt, wird die Berep „durchgezogen“. Das Erscheinungsbild der Übertragungsfunktion spiegelt diesen Umstand nicht direkt wieder. Erst in Verbindung mit weiteren Elementen des Regelkreises und deren Zustand ergibt sich der Zusammenhang der unveränderlichen Berep.. Die folgenden Ansätze werden nur stichpunktartig vorgestellt und in anderen Methoden vertieft.
Varianten für Informationen
Gegner stellt Informationen anders zur Verfügung
- Überlastung mit zu vielen Informationen
- Ablenkungen
- Verstecken von Informationen
- …
Varianten für äußere Einflüsse
Freier Bewegungsraum
- Gegners variiert Angriffe (z.B. hohe und niedrige Angriffe)
- …
Umgebung
- Turnhallenboden
- Grasboden
- Sandboden
- …
Belastungstests mit Varianten
Diese Varianten werden dann wieder auf ihre Grenzen abgeschätzt und bei Bedarf mit Hilfe von Belastungstests überprüft. Dabei werden die Tests schrittweise ohne Ansage der ausgewählten und zu testenden Ablaufvariante durchgeführt. Man selbst weiß also vorher nicht, welche der Varianten auftreten wird (siehe Belastungstests mit Varianten). Nur mit diesem Ansatz lassen sich Varianten und deren wahre Übertragungsfunktion bestimmen. Dabei kann sich ergeben, dass bestimmte Varianten mit bisher guten Ergebnissen plötzlich völlig versagen2Ein typisches Beispiel für einen solchen Fall sind gesteuerte Bewegungen, welche unbewusst auf eigentlich nicht verfügbare Informationen zurückgreifen („wissen, was der Gegner vorhat“). Wenn solche Bewegungen zuerst getestet werden, kann es vorkommen, dass überhaupt keine Überlastungseffekte vorkommen. Diese drohen dann bei der Kombination mit anderen vorkommenden Varianten fehlzuschlagen. Sie sind zu „überoptimiert“ auf die eine Variante, sodass sie mit anderen Varianten nicht umgehen können..
Die Schritte der Variantenerzeugung und der Belastungstests werden immer mit neuen Varianten wiederholt, bis feststeht, ob ausreichend Varianten betrachtet wurden3Ein genaues Abbruchkriterium lässt sich selten bilden. Dazu gehört (leider) Erfahrung..
Prüfen auf Relevanz und Plausibilität
Bestimmte Varianten spielen keine Rolle, weil bspw. der Kontext diesen Ablauf nicht erlaubt (z.B. verbieten Wettkampfregeln bestimmte Trefferzonen). Andere Varianten setzen vielleicht einen Gegner voraus, welcher keine „Schwächen“ besitzt. Überlastungen und die damit verbundenen Effekte gelten immer für sich selbst und den Gegner. Es nützt nichts, für sich selbst Überlastungen anzunehmen und den Gegner davon freizustellen. Er kann genauso deklassiert werden. Weiterhin sollten Varianten herausfallen, welche nie überlastet werden. Diese können immer mit einem normal funktionierenden Regelkreis abgehandelt werden.
Dokumentation der Varianten
Im letzten Schritt sollten die gefunden Varianten dokumentiert werden. Dabei sollten sowohl relevante, als auch nicht relevante Varianten in Baumdiagrammen eingetragen werden. Die Gründe für die Relevanz oder Nicht-Relevanz gehören dazu.
Zusammenfassendes Diagramm
Fußnoten
1. | ↑ | Der Grund für diesen Zusammenhang liegt in der Verfügbarkeit von Informationen. Erst mit einer gewissen Informationsverfügbarkeit kann die Berep noch angepasst werden. Sobald durch zu hohe Ablaufgeschwindigkeiten eine Informationsarmut einsetzt, wird die Berep „durchgezogen“. Das Erscheinungsbild der Übertragungsfunktion spiegelt diesen Umstand nicht direkt wieder. Erst in Verbindung mit weiteren Elementen des Regelkreises und deren Zustand ergibt sich der Zusammenhang der unveränderlichen Berep. |
2. | ↑ | Ein typisches Beispiel für einen solchen Fall sind gesteuerte Bewegungen, welche unbewusst auf eigentlich nicht verfügbare Informationen zurückgreifen („wissen, was der Gegner vorhat“). Wenn solche Bewegungen zuerst getestet werden, kann es vorkommen, dass überhaupt keine Überlastungseffekte vorkommen. Diese drohen dann bei der Kombination mit anderen vorkommenden Varianten fehlzuschlagen. Sie sind zu „überoptimiert“ auf die eine Variante, sodass sie mit anderen Varianten nicht umgehen können. |
3. | ↑ | Ein genaues Abbruchkriterium lässt sich selten bilden. Dazu gehört (leider) Erfahrung. |